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Aus der Reihe „Das Wespennest“

Das „Wespennest“ ist unsere gemeinsame Wohnung, in der zwei, drei oder mehr Familien wohnen. Unsere Nachbarn in der Gemeinschaftswohnung huschen aus ihrem Zimmer in die Küche, aus der Küche in den Flur und auf die Straße. Wir leben mit ihnen – völlig fremden Menschen – zusammen. Wir leben dicht an dicht, auf engstem Raum, teilen den wenigen Platz, natürlich nicht ohne Konflikte – Selbstverteidigung! Unser Zimmer – unsere Wohnung – ist die Wabe eines solchen Nests. In seinem Längsschnitt ist alles zu sehen: Freude und Leid, Alltag und Festtage. Für sich sein, sich im Kreis der Familie aufhalten kann man nur, wenn man sich tief in seine Zelle zurückzieht.

Das „Wespennest“ ist ein vielstöckiges Haus mit gesichtsloser Architektur – eine „Wohnmaschine“. In einem solchen „Hausnest“ verläuft das Leben seiner Bewohner wie in offenen Waben nach festen Regeln: Die Menschen, die gezwungen sind, in einer Gemeinschaftswohnung zu leben, nehmen die Ereignisse so, wie sie sind, ohne darüber nachzudenken, warum etwas geschieht. Und so wechseln die Generationen. 

Das „Wespennest“ ist auch ein Zuhause. Nachts, wenn das Licht friedlich, still und ruhig durch die Fenster strömt. Es ist unser Zuhause in der Grenzenlosigkeit des Kosmos. Oder ist es unser Mikrokosmos, unsere Innenwelt nach außen gewendet?

Das „Wespennest“ ist unser Planet Erde mit seinen Problemen des Zusammenlebens. Auch Staaten sind befreundet oder verfeindet, wie die Nachbarn in einer Gemeinschaftswohnung. Selbstverteidigung!? Nicht nur. 

Das „Wespennest“ ist die Wabe des Fernsehers, aus dem eine Flut von negativen Nachrichten auf uns einströmt, mitunter guten, meist aber negativen: Überschwemmungen, Explosionen, Morde. „Unterhaltungsfilme“, in denen wir jede Minute Gewalt, Siege des Bösen über das Gute oder auch im Namen des Guten sehen. Und so strömen aus dieser Fernsehwabe Trugbilder – stolze und schöne Menschen, umgarnt von widerwärtigen und bösen Kreaturen. Da fragt man: Woher kommen beim Menschen unserer Zeit die Depressionen?

Das „Wespennest“ ist ein Nest böser Geister und eines entführten Engels. Diese Arbeit hat eine eigenwillige Geschichte. Ich wurde gebeten, ein Familienportrait vor dem Hintergrund eines Wespennests zu malen. Ich tat es. Mama, Papa, zwei Kinder und der Engel, der sie behütet. Alle lächeln zufrieden. Aber es geschah etwas Unerhörtes! Das „Nest“ wollte es nicht – Selbstverteidigung! Böse Geister flogen herbei und nahmen den Engel fort, schnitten ihn praktisch aus der Bildfläche. Zurück blieb ein leerer Platz, eine weiße Silhouette. Aber was sollte aus dem Portrait der Familie werden? Ich riskierte es nicht, sie unbeschützt zu lassen, notierte ich. 

Das „Wespennest“ ist ein gesichtsloses Kollektiv, alle wie uniformiert: Jackett, Krawatte, ein gleichsam aufgemaltes Lächeln auf den Gesichtern, aber jeder lebt sein persönliches Leben in seinem Waben-Kämmerchen. Da ist etwa der Freund von Kunstbüchern, der zugleich ein Trinker ist und seine Bücher stehen in Getränkekisten zwischen den leeren Flaschen. Schwarzes Jackett und Krawatte liegen immer bereit. Morgens wird das Jackett angezogen, und sein Besitzer ist von den anderen nicht mehr zu unterscheiden, ein Teil des Kollektivs.

Das „Wespennest“ ist eine geschlossene Wabe. Was darin vorgeht? Eine Versammlung hinter verschlossenen Türen? Eine Militärverschwörung? Das Letzte Abendmahl? Man kann nur raten und nach einer Weile Zeuge der aktuellen Ereignisse werden: von organisierten Streiks, Staatstreichen, Machtwechseln, Morden. Die Starken dieser Welt sind unsichtbar, niemand kennt sie. Manche Waben sind offen, alles liegt einem vor Augen, Gut und Böse wohnen im selben Raum. Andere sind verschlossen…

Aus dem Wespennest

1992, Öl/Leinwand, 80x60 cm.

Wespennest

1998, Öl/Leinwand, 60х70 cm.

Engel und Fabelwesen

2002, Öl/Leinwand, 70x90 cm.

Schwarze Jacke

1996, Öl/Leinwand, 80х60 cm.

Baum-Haus

1998, Öl/Leinwand, 60x70 cm.

Fernseher Spuk

1996, Acryl/Leinwand, 80х60 cm.

Wolkenkratzer

1997, Acryl/Papier, 40x33 cm.

Abendmahl,

1996, Acryl/Leinwand, 120x100 cm

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