Reflexionen zur Gemäldeserie „Fragmente aus der Familienchronik“
Vom frühen Morgen an fühlte man im Haus eine gewisse feierliche und gehobene Stimmung. Konzentriert, aufmerksam und sich leise unterhaltend betrachteten meine Eltern eingehend ihr einziges Festtagsgewand. Sie säuberten es und brachten es in Ordnung. Das Licht der Petroleumlampe warf wandernde Schatten an die Wände. Mal näherten sie sich, wuchsen zu gigantischer Größe und füllten den ganzen Raum, mal entfernten sie sich. Darin lag etwas Geheimnisvolles und Aufregendes. Beim Gehen knarrten Vaters Stiefel. Ein Kalb, das man für den Winter ins Zimmer geholt hatte, hob den Kopf und beobachtete aufmerksam das Geschehen. Seine Augen, in denen sich das Licht der Lampe im Halbdunkel spiegelte, flackerten erschrocken. Als man mir, dem damals Fünfjährigen, vorschlug, ein frisches Hemd anzuziehen, verstand ich endgültig: Wir gehen irgendwohin, und dort erwartet uns etwas außergewöhnlich Interessantes und für mich völlig Neues.
Dazu muss noch gesagt werden, dass nach reichlichem Schneefall und einem Schneesturm alle Häuser in unserem Dorf vollständig mit Schnee bedeckt waren. Ein Eingang wurde gesucht und der Schnee weggeschaufelt. Das Ergebnis ähnelte einer Höhle. Dieser höhlenartige Raum wurde mit großen Ziegelblöcken aus Schnee befestigt und mit Stroh und dicken Zweigen abgedeckt. Eine Tür wurde eingebaut. Über Stufen aus gestampftem Schnee konnte man nach oben gelangen…
Und wir sind oben.
Die weiße Wüste der Felder.
Der Kreis des Horizonts
Berührte mit seinem Rand den Himmel:
Ein großer Teller und einer leuchtenden Kuppel.
In der Mitte die Schneewehen über den Häusern.
Aus den Schornsteinen strömte Rauch.
Weiß und Blau.
Der Schnee funkelte, knirschte unter den Füßen.
Die Sonne blendete.
Ein Freudentag stand uns bevor!
Beim Fotografen Littke (so hatte es geheißen: „Wir gehen heute zum Fotografieren zu Littke“) traf ich meine Cousins und Cousinen. Ihre Eltern sprachen mit wichtigem Blick leise miteinander. Ein großer Fotoapparat stand auf drei Beinen in der Mitte eines großen Zimmers. Hinter ihm zauberte unter einem großen schwarzen Tuch der kleine, dicke Littke. Wir waren gekommen, um uns fotografieren zu lassen! Seitdem ist viel Zeit vergangen. Ich bekam meine eigene Familie, bekam Kinder. Wir lebten in einer großen Stadt. Bei einer meiner Fahrten zu den Eltern fielen mir die Fotografien ins Auge, die wir damals in der Kindheit an jenem verschneiten Wintertag gemacht hatten. Interessiert begann ich alte Fotoalben durchzuschauen, bei Eltern und Verwandten in Schubladen zu stöbern, und in diesen Alben oder einfach in Zeitungen eingewickelt fand ich qualitativ großartige Familienbilder...